Mein Blog heißt sensibel & stark, da ich ungefähr ein Jahr nachdem ich nüchtern wurde, festgestellt habe, dass ich hochsensibel bin. Ich weiß es nun also schon seit sieben Jahren. Hochsensibel zu sein heißt zunächst, dass die eigenen Sinnesschranken offener sind als bei Normalsensiblen. Das heißt, dass eine hochsensible Person, kurz HSP, mehr riecht, schmeckt, fühlt, sieht und hört als sein Umfeld es tut. Etwa 20 Prozent der Menschen sind HSP, also in etwa jeder Fünfte. Dabei ist nicht immer jeder Sinn gleich stark ausgeprägt. Meine Hochsensibilität bezieht sich beispielsweise nur aufs Riechen und Fühlen. Dass ich mehr schmecke als meine Mitmenschen konnte ich zum Beispiel noch nicht feststellen. Das Buch von Georg Parlow mit dem Titel ‚zart besaitet‘ ist nun das sechste Buch, das ich zu dem Thema gelesen habe.
Dieses Buch hat mich mit weiterem informativen Wissen zu meiner eigenen Sensibilität versorgt. Das Inhaltsverzeichnis ist so fein gegliedert, dass das gesamte Buch als effektives Nachschlagewerk dient. Durch die detailreiche Darstellung wird die Komplexität der Hochsensibilität sehr gut beleuchtet. Zudem begrüße ich es sehr, wenn insbesondere Männer über ihre Sensibilität schreiben. Und zwar aus den gleichen Gründen, warum ich Männer in der #nüchtern-Bewegung so immens wichtig finde: Es geht hier um Verletzlichkeit und darum, dass ein Indianer angeblich keinen Schmerz kennt. Dies hängt mit dem überholten Männerbild zusammen, das sogar noch heute im 21. Jahrhundert in unseren Köpfen herum schwirrt. Wenn sich ein Autor öffentlich zu seiner eigenen Sensibilität bekennt, so schafft das gewiss Barrieren bei anderen Männern ab, die sie dabei hindern zu ihrem eigenen sensiblen Wesen zu stehen. Dann wäre eine Betäubung des Alltags durch Alkohol vielleicht gar nicht mehr so notwendig. Sich mit seiner eigenen Fühligkeit zu zeigen, ist oft der erste Schritt in Richtung Heilung, besonders wenn dies bedeutet gegen den Strom der toxischen Männlichkeit zu schwimmen. Aufgrund unserer gesellschaftlichen Konditionierung kostet das Männer eine größere Überwindung als Frauen. Insofern ist das sich verletzlich zeigen bei Männern tatsächlich eine ganz andere Hausnummer.
Parlows Schreibstil ist flüssig, sodass man dem Inhalt gut folgen kann. Das, was er schreibt, ist zumeist unter Nennung der genauen Quelle wissenschaftlich belegt und somit fundiert recherchiert.
Teilweise fand ich die Sprache des Buches nicht immer optimal gewählt. Zum Beispiel benutzt Parlow häufig das Bild eines Kleinkindkörpers. Damit meint er, dass man behutsam mit sich und seinem Körper im Sinne der Selbstfürsorge umgehen solle. Ich denke, dass sich nicht jede HSP gerne als Kleinkindkörper wahrnimmt. Hier hätte mich eine andere Formulierung mehr abgeholt, wie zum Beispiel, dass man auf seine eigene Sensibilität so achten soll, wie auf ein kleines Baby. Aber das ist Geschmackssache. Das Buch hat mich somit nicht immer mitgenommen und manchmal bin ich auch mit meinen Gedanken abgedriftet, obwohl ich den Inhalt an sich interessant fand. Vielleicht liegt das auch daran, dass ich in den letzten Jahren viele subjektive Sachbücher gelesen habe. Damit meine ich Sachbücher, bei denen der Autor oder die Autorin seine/ihre eigene Geschichte in das Buch miteinfließen lässt. Ich nehme an, dass die subjektiven Sachbücher eine Art neues Genre unter den Sachbüchern sind. Das ‚zart besaitet‘-Buch von Georg Parlow ist derweilen in meinen Augen eher ein objektives Sachbuch. Ich denke, dass es auch hier individuell vom Leser oder der Leserin abhängig ist, mit welcher Art von Sachbuch er/sie besser zurecht kommt. Dem hochwertigen und gut recherchierten Inhalt dieses Buches tut mein persönliches Empfinden aber keinen Abbruch.
Weiterhin war es für mich als junge Mutter spannend, dass Parlow Hochsensibilität und Mutterschaft kurz thematisiert hat. Ich finde es gut, dass er diesen Sachverhalt überhaupt auf dem Schirm hatte, weil ich noch nicht so häufig darüber gestolpert bin. Außerdem hatte ich einige Aha-Erlebnisse in Bezug auf meine Empfindsamkeit gegenüber der Luftqualität in Räumen und den vielen, vielen Allergien, unter denen ich im Alltag so leide. Parlows Ausführungen zum Selbstwert von hochsensiblen Personen waren extrem bereichernd für mich. Vieles hatte ich zwar bereits gewusst bzw. mir gedacht, hätte es aber nicht so gut auf den Punkt bringen können.
Fazit: Insgesamt habe ich durch die Lektüre des Buches viel über mich selbst erfahren und mich in vielem bestätigt gefühlt. Sie war somit eine gelungene Horizonterweiterung für mich. Man spürt, dass der Autor bereits sehr viel Erfahrung mit hochsensiblen Menschen gesammelt hat und mit ihnen im Austausch steht. Sonst könnte er dieses komplexe und facettenreiche Persönlichkeitsmerkmal gar nicht so gut beleuchten. Das Buch ist ein gelungenes Nachschlagewerk für jeden, der sich mehr mit seiner eigenen Sensibilität befassen möchte. Wegen der gründlichen Recherche des Autors ist es zurecht das meistverkaufte Buch zum Thema im deutschsprachigen Raum.
Wenn du das Buch auch lesen möchtest, findest du es in jedem Buchladen deiner Wahl oder auch online:
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