Rassistisches Gedankengut steckt noch immer tief in unserer Gesellschaft. Verändern können wir es nur, indem wir uns aktiv mit Themen wie Kolonialismus, Alltagsrassismus und struktureller Benachteiligung auseinandersetzen und dieses Wissen an unsere Kinder weitergeben. Deswegen ist es sinnvoll, dass es mittlerweile auch Kinderbücher über dieses verschwiegene Thema gibt. Heute möchte ich dazu das Kinderbuch „Was ist Rassismus“ von den beiden Autor:innen Katie Daynes & Jordan Akpojaro und der Illustratorin Sandhya Prabhat vorstellen. Denn auch beim Vorlesen ging es mir so, dass ich kurz blockiert war und inne halten musste: Offensichtlich habe ich mir während meiner fast 40 Lebensjahre angewöhnt nicht über Rassismus zu sprechen, sondern brav darüber zu schweigen, um kein Aufsehen zu erregen. Es scheint also einer meiner Glaubenssätze zu sein: Über Rassismus spricht man nicht. Ich überlegte auch, ob meine beiden Kindergartenkinder vielleicht doch noch zu jung für dieses Thema sind. Die Antwort lautet: Nein, das sind sie nicht. Es ist gut, dass es jetzt solche Kinderbücher gibt; welche, die aufklären. Denn rassistische Denkstrukturen können sich bereits im Kindergartenalter festfahren und teilweise werden Kinder schon vom Spielen ausgeschlossen, weil sie anders aussehen bzw. anders sind. Warum sollte man also nicht so früh wie möglich Kinder in ihrer Empathiefähigkeit und Sprache schulen? Es ist wichtig, dass Kinder, die unter Rassismus leiden, dafür die richtigen Worte finden und sich mitteilen können. Dass sie dafür einen Wortschatz haben. Es soll kein Tabu-Thema mehr sein, welches einfach so unter den Teppich gekehrt wird. Und anders herum geht es auch darum, dass weiße Kinder lernen sich anti-rassistisch zu äußern, wenn sie nicht die Absicht hatten die Gefühle eines anderes Kindes zu verletzten. In Zeiten der Digitalisierung, Globalisierung und des hiesigen Fachkräftemangels können wir also alle nur davon profitieren. Da war also eine Blockade in mir, die sich zu lösen lohnt. Genau das wird auch auf einer Doppelseite dieses Kinderbuches auch erläutert: Über Rassismus darf man sprechen und man sollte es auch tun. Denn zu lange schon wurde darüber geschwiegen.
Es ist wie ein visualisiertes Brainstorming aufgebaut. Es gibt einen sinnvollen roten Faden, der die einzelnen Kapitelüberschriften kennzeichnet. Die Kapitelüberschriften stellen eine Art Leitfrage dar. Die Aufklappboxen liefern Antwortmöglichkeiten zu Fragestellungen, die der Leitfrage untergeordnet sind, eben wie ein Brainstorming. Dadurch erfährt man auf einer Doppelseite unheimlich viel an Information. Nach meinem Empfinden ist dies etwas zu viel. Auf mich wirkt das Kinderbuch mit all seinen Texten und Bildinformationen zu überladen. Meines Erachtens hätte man die Aufklapp-Boxen auf den doppelten, wenn nicht sogar den dreifachen Seitenumfang, strecken können. Wenn so jemand wie ich Didaktik bewerten darf, dann würde ich dem Buch also dafür einen Punktabzug geben.
Inhaltlich finde ich dieses Buch abr richtig stark. Mir gefällt auch der rote Faden in den Kapitelüberschriften. Viele Hinweise waren wichtig, z.B. dass man auch rassistisch sein kann ohne, dass man es überhaupt sein möchte. Manches in dem Buch geht auch in Richtung Klassismus, was bedeutet, dass beide Themen eng miteinander verknüpft sind. Die Auflistung der unbewussten Privilegien, die weiße Menschen haben, finde ich gut und augenöffnend. Viele Aussagen des Buches hallen bei mir über Tage hinweg nach, obwohl ich schon ein paar Bücher zu Rassismus gelesen habe. Deswegen ist das Buch auch für Erwachsene gut geeignet. Ich finde es etwas fraglich, ob die Zielgruppe im Alter von vier bis sechs Jahren die Zusammenhänge mit der Kolonialzeit bereits versteht. Insofern ist dieses Buch bestimmt auch noch ein guter Begleiter für die erste Grundschulzeit, wo man diese geschichtlichen Hintergründe gewiss besser begreift.
Fazit: Das Buch klärt in kindgerechter Sprache über den Umgang mit Rassismus auf. Ich denke, dass durch das Vorlesen andere und neuartige Gespräche zwischen Eltern und Kindern statt finden können, die es so in dieser Qualität bestimmt noch nicht gegeben hat. Es schenkt uns Lesern:innen Hoffnung auf eine Welt, in denen Menschen nicht mehr aufgrund ihrer Hautfarbe diskriminiert werden. Wegen der hohen Informationsdichte auf so wenig Seiten vergebe ich dem Buch 4 von 5 Sternen.
Falls du neugierig darauf geworden bist, findest du es in jedem Buchladen deiner Wahl oder auch online, zum Beispiel hier: