Für ein positives Leben ohne Alkohol.

Empfehlungen, Sensibilität

Rezension: Alles kann, nichts läuft (Juliane Burghardt)

Alles kann, nichts läuft Buchcover

Let’s talk about sex, baby…

Song aus den 90ern von Salt ’n‘ Pepa

Ich bin ja katholisch geprägt worden, während ich aufwuchs. Deswegen hätte ich niemals gedacht, dass ich einmal öffentlich etwas zum Thema Sex schreiben würde. Aber das Leben ist ja eine Reise, in der sich die eigene Persönlichkeit auch mal weiterentwickeln darf. Insofern starte ich jetzt einfach:

„Sex ist die Fortführung eines guten Gesprächs.“ Dies ist ein Satz, den ich schon oft von Christian Thiel aus dem Podcast Die Sache mit der Liebe gehört habe. Insofern ist Sex ja auch eine Art der Kommunikation. Ich beschäftige mich mit dem Thema, weil sich mein Sexleben verändert hat, seitdem ich Mutter geworden bin. Ich will jetzt nicht sagen, dass es komplett eingeschlafen ist, aber es ist auf jeden Fall weniger geworden. In dem Buch von Juliane Burghardt geht es eigentlich genau darum: Warum wir immer weniger Sex haben. Allerdings bezieht sie ihre Analysen nicht nur auf Paare, die sich in der Rush Hour des Lebens befinden, sondern sie untersucht das Sexverhalten und wie es sich im Laufe der Jahre verändert hat, im Allgemeinen. Bei diesem Buch handelt es sich um ein Rezensionsexemplar, welches mir vom Hirzel Verlag zur Verfügung gestellt wurde. Herzlichen Dank dafür.

Vom Leseerlebnis her hat mich das Buch auf den ersten 100 Seiten nicht so wirklich abgeholt. Ich bin schwer in den Lesefluss reingekommen. Das mag daran liegen, dass es ein wissenschaftliches Buch ist und mir die ersten Kapitel inhaltlich zu trocken waren. Das änderte sich aber schlagartig als ich zu dem Punkt mit den digitalen Medien kam. Hier gab es einige Passagen, die sehr erhellend waren und mich in verschiedenen Thesen stützen. Allem voran, weil ich mittlerweile sowieso schon auf Kriegsfuß mit den neue Medien stehe.

In einem zdf heute Interview der Autorin lese ich dazu:

Digitale Medien und allgemein die Smartphone-Nutzung haben die realen zwischenmenschlichen Kontakte stark reduziert. Weniger persönliche Treffen, das führt oft zu weniger Sex.

Juliane Burghardt

Und in ihrem Buch schreibt Juliane Burghardt dazu:

… Ein Paar, das guten Sex hat, wird auch vor dem Sex flirten, sich liebkosen und umarmen. … Die Qualität der sexuellen Beziehung eines Paares hängt also nicht nur vom Akt selbst ab, sondern auch von dem, was dazwischen passiert. Es ist sinnvoll, die Lust langsam aufzubauen. Das kann natürlich nur jemand tun, der sich die nötige Zeit dafür nimmt und der nicht durch andere Aufgaben zu gestresst ist. Sex ist schön, solange die Beziehung intim und sexuell aufgeladen ist. Das Handy kann beides stören, entsprechend ist bei intensiver Handynutzung zu erwarten, dass der Sex substanziell schlechter oder ausfallen wird.

Juliane Burghardt, Alles kann, nichts läuft, Hirzel Verlag, Stuttgart, 1. Auflage 2024, S. 110 f.

Unser Smartphone-Nutzungsverhalten hat demnach unmittelbaren Einfluss auf unser Sexleben. Ich finde diesen Zusammenhang sehr spannend.

Zudem bespricht die Autorin in ihrem Buch ganz explizit einen Vergleich von Alkoholismus und sozialen Medien. Beides stört die natürliche Dopaminausschüttung unseres Körpers. Demzufolge kann uns beides abhängig machen. Diese Passage ist der Autorin wirklich sehr gut gelungen, weil ich durch meine Alkoholvergangenheit sofort einen Bezug dazu hatte.

Ein weiterer wichtiger Aspekt, den die Autorin aufgriff, ist der mit der Internetpornographie. Dies ist tatsächlich nicht zu unterschätzen. Denn auch ich habe noch das Glück einer Zeit zu entstammen, wo ich schon erste sexuelle Kontakte hatte ohne, dass es diese frauenverachtenden Handlungen in Internetpornos zu sehen gab. Damit meine ich zum Beispiel Frauen zu würgen oder fünf Stellungen innerhalb von fünf Minuten auszuprobieren etc. Dementsprechend fällt es mir leicht die Pornos, die es heute im Internet gibt, zu belächeln. Unsere Kinder, also die nächste Generation, die heran wächst, kann das aber nicht. Deswegen nehme ich aus dem Buch mit möglichst galant und frühzeitig mit Kindern über diese Inhalte zu sprechen, einfach um ihnen einen guten Nährboden für eine wunderschöne Sexualität zu säen. Denn wenn ich das nicht tue, wird es das Internet tun.

Was mir ein klein wenig am ganzen Buch gefehlt hat, war zum Beispiel der Aspekt, dass die ganze Care-Arbeit, die in vielen Familien bis heute noch zumeist von uns Frauen geschultert wird, sich ebenfalls auf ein verblühtes Sexleben negativ auswirken kann. Zumindest ist so mein Eindruck. Also das Thema Langzeit-Beziehungen kam mir zu kurz. Daraus lässt sich folgern, dass Juliane Burghardt bei ihren Studien ihren Fokus auf etwas anderem hatte. Aus meinem Erfahrungsschatz zu dem Thema kann ich aber ableiten: Je mehr mir mein Partner mit der Sorge-Arbeit und im Haushalt hilft, desto florierender ist unser Sexleben. Das liegt schlichtweg daran, dass ich dann nach einem langen Tag voller Aufgaben, die manchmal auch nicht so viel Spaß machen, weniger erschöpft bin. Also ganz nach dem Motto: „Happy wife, happy life.“ Denn das sagt ja auch unheimlich viel über die Qualität unserer Paarbeziehung aus. Also in dem Sinne: Fungieren wir beide nur noch als Eltern-Team sehr gut? Oder sind wir vielleicht auch noch so etwas wie ein Liebespaar? Am Ende des Tages hängt Sex dann doch wieder davon ab, wie gut wir als Paar miteinander kommunizieren.

Fazit:

Das Buch hat insgesamt 176 Seiten, von denen mich die ersten 94 Seiten nicht abgeholt haben. Aber das Thema des Buches ist sehr interessant und, wie ich finde, auch absolut gesellschaftsrelevant. Ich bin der Autorin sehr dankbar für die ganzen Quellen, die sie den Lesenden am Ende des Buches mit an die Hand gibt, um sich mit dem Thema noch mehr zu beschäftigen. Aus den genannten Gründen vergebe ich 3,5 von 5 Sternen.

Falls du neugierig darauf geworden bist, findest du das Buch in jedem Buchladen deiner Wahl oder auch online, zum Beispiel hier: