Für ein positives Leben ohne Alkohol.

Co-Abhängigkeit, Empfehlungen, Nüchternheit, Sensibilität

Meine Eindrücke von der Frankfurter Buchmesse 2022

Titelbild Sonja Buchmesse

Heute machen wir mal einen Exkurs auf die Frankfurter Buchmesse. Da war ich nämlich letzte Woche und hatte als akkreditierte Bloggerin auch die Möglichkeit die Fachmesse zu besuchen. An ein paar Eindrücken möchte ich euch heute teilhaben lassen. 

Im Vorfeld fand ich es richtig stark von der Frankfurter Buchmesse, dass sich jemand wie ich, die hauptsächlich über Nüchternheit und mentale Gesundheit schreibt, akkreditieren lassen konnte. Das zeugt davon, dass ein kleines bisschen was von unserer nüchtern-Bewegung tatsächlich schon auf die Medien übergeschwappt ist. Umso mehr hat es mich auch gefreut, dass zum Beispiel die Autorin, Übersetzerin und Literaturagentin Christine Koschmieder ihr Buch Dry vorgestellt hat. In dem Buch schreibt sie über ihre Abkehr von der Alltagsdroge Alkohol. Interessant fand ich, dass Koschmieder den Begriff der Alkoholikerin für sich verwendet, um dem Ganzen eine neue Prägung zu geben. Das ist im Übrigen auch meine Motivation, weshalb ich mit meiner Geschichte rausgehe. Weiterhin fand ich an dem Gespräch gut, dass sie die Sache mit ihren Kindern angesprochen hat; also in dem Sinne, dass ihr durchaus bewusst ist, dass ihre Kinder unter ihrem Trinkverhalten gelitten haben, weil sie als Mutter nicht so präsent sein konnte, wie sie das vielleicht im nüchternen Zustand gewesen wäre. Dass sie darüber in der Öffentlichkeit spricht, rechne ich dieser Autorin hoch an. Denn es zeigt, dass sie in ihrer Art sehr reflektiert ist.

Wenn ihr euch das ganze taz-Gespräch anschauen wollt, findet ihr das YouTube-Video dazu hier:

Sheroes

Maja Göpel
Jagoda Marinić, Maja Göpel, Theresia Enzensberger

Besonders gerne hielt ich mich im ARD Forum vor der Sheroes-Bühne auf. Ich erinnere mich, dass es Sheroes schon letztes Jahr gab. Das ist eine Bühne, auf der weibliche Streiterinnen für die Zukunft auftreten. Ich finde Sheroes so interessant, weil ich letzten Frühling das Buch „Mensch, Erde!“ von Eckart von Hirschhausen durchgelesen habe. Dort widmet er einen ganzen Abschnitt der Frage: Retten Frauen die Welt? (S. 477 ff). Als ich das damals gelesen hatte, fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Die führenden Köpfe in der Umweltbewegung und in klimapolitischen Fragen sind über Generationen hinweg vorrangig Frauen: Greta Thunberg, Luisa Neubauer, Jane Goodall u.v.m. Jane Goodall ist die Forscherin, die mir vor allem in Zusammenhang mit Schimpansen bekannt ist. Sie war auch neulich bei Richard David Precht in der Sendung. Auf Precht komme ich später noch zu sprechen. So ist der unermüdliche weibliche Einsatz fürs Klima der Grund, warum die Sheroes-Stage auf der Buchmesse eine ganze besondere Anziehungskraft auf mich hatte. Ich konnte u. a. der Scientists for Future Politökonomin Maja Göpel zuhören. Maja Göpel ist eine dieser Frauen, der ich in Bezug auf die Klimakrise stundenlang lauschen könnte. Ich finde, dass sie mit ihren Beiträgen und Kommentaren immer einen wissenschaftlich fundierten, kommunikativen Mehrwert bietet, sodass eine Laie, wie ich, versteht was sie meint. Ich wünschte mir, dass sich mehr Menschen wie Maja Göpel in diese Debatten einbringen würden. Sprachlich finde ich sie wirklich stark.

Gesprochen hat Maja Göpel mit der Autorin Theresia Enzensberger, die einen Roman in Form einer Dystopie geschrieben hat, wie unsere Gesellschaft irgendwann einmal aussehen könnte, wenn sich gewisse Dinge nicht ändern. Der Roman heißt Auf See und ist diesen August im Carl Hanser Verlag erschienen.

Moderiert wurden alle Sheroes-Gespräche von der Schriftstellerin und Politologin Jagoda Marinić. Sie hostet auch den HR-Podcast FREIHEIT DELUXE und hat außerdem das Buch Sheroes: Neue Held*innen braucht das Land geschrieben. (Letzteres wusste ich bis eben gar nicht.)

Was an der Buchmesse so schön ist, dass man sich wirklich alle Gespräche und Vorträge auch noch später irgendwo online anschauen kann:

„Gesund kann jede*r“

Philipp Lahm in der 30-Minuten-WG
Philipp Lahm in der 30-Minuten-WG
Doris Schneyink, Philipp Lahm, Prof. Dr. Yurdagül Zopf
Doris Schneyink, Philipp Lahm, Prof. Dr. Yurdagül Zopf

Wusstet ihr, dass Philipp Lahm ein Buch über einen gesunden Lebensstil verfasst hat? Ich nicht. Mich hat es riesig gefreut ihn auf der Buchmesse zu sehen. Dass es sich bei Philipp Lahm um einen äußerst intelligenten Fußball-Profi- und Weltmeister handelt, brauche ich hier nicht zu erwähnen. Ich denke das weiß jeder, der schon einmal die eine oder andere Berichterstattung mit ihm gesehen hat. Bewegung und Ernährung sind für einen aktiven Lebensstil das A und O. Was mich bei dem Gespräch sehr beruhigt hat, ist, dass Philipp Lahm als Familienvater und Unternehmer die meiste Zeit seines Alltags mittlerweile sitzt und nur noch zwei mal pro Woche Sport macht. Er kann auch nicht mehr so viel essen wie früher. In diesen Worten habe ich mich SEHR wieder gefunden und finde daher sein Buch „Gesund kann jeder“ richtig spannend. Letzteres hängt gewiss mit meinen eigenen Blutzuckerwerten zusammen, die sich vor acht Monaten noch im unteren Drittel einer Prädiabetes aufhielten. Mittlerweile sind sie erfolgreich runter gegangen, weil ich begonnen habe viel an meinem Lebensstil zu schrauben.

Die Dame, die auf der 30-Minuten-WG-Bühne, welche vom STERN und der Penguin Random House Verlagsgruppe gesponsert wird, neben Philipp Lahm das Interview führt, ist übrigens Prof. Dr. Yurdagül Zopf, eine seiner Co-Autor:innen. Sie hat wohl den ganzen Ernährungsteil übernommen. Was ich persönlich total krass fand, wie sich nach dem Bücher-Talk das gesamte Publikum auf Philipp Lahm wegen Selfies und Interviews gestürzt hat und Frau Zopf mit der Moderatorin und Wissenschaftsjournalistin vom Stern Doris Schneyink ganz alleine auf der Bühne blieb. Dabei fand ich den Ernährungsteil am spannendsten. Aber so ist das wohl, wenn man mit sehr bekannten Persönlichkeiten auftritt.

Precht und Welzer in der 30-Minuten-WG

Eine vergleichbare Situation konnte ich bei dem Auftritt von Richard David Precht und Harald Welzer in der 30-Minuten-WG beobachten können. Die Beiden sind ja seit der Veröffentlichung ihres Buches Die vierte Gewalt seit Ende September in aller Munde, auch weil sie damit vermutlich DAS Sachbuch des Herbstes geschrieben haben. Inhaltlich geht es darum, inwiefern die Leitmedien ihren Aufgaben und Pflichten, die sich für sie aus dem Rundfunktstaatsvertrag ergeben, nachkommen. Als studierte Medienmanagerin finde ich dieses Thema spannend, weil mich die Inhalte aus allen möglichen Debatten zu dem Buch doch sehr stark an meine Medienrechtsvorlesung erinnern. Ich bilde mir ein, dass wir mittlerweile auch an einem Punkt der Debatte angekommen sind, wo konstruktiv über die Inhalte des Buches gesprochen werden kann, ohne dass sich Journalist:innen so stark angegriffen fühlen, wie es in den ersten Wochen nach der Veröffentlichung der Fall war. Empfehlen möchte ich hierfür den Talk auf der ARD-Bühne mit dem Medienjournalisten Stefan Niggemeier. Auch das Gespräch, dass die Beiden bei der ZEIT über das Buch geführt haben, hat mir gefallen.

Nun aber zurück zu Prechts und Welzers Auftritt in der 30-Minuten-WG. Nach dem Bücher-Talk sind alle wegen Selfies und Autogrammen zu Richard David Precht gelaufen, mich eingeschlossen, und nur sehr wenige zu Harald Welzer. Ich finde dieses Ungleichgewicht schade, weil Harald Welzer mindestens genauso viel zu sagen hat, wie Richard David Precht. Bei mir war es so, dass ich mir ein Buch von Richard David Precht signieren lassen wollte. Vor ungefähr vier Jahren hatte er mich mit den Inhalten aus seinem „Jäger, Hirten, Kritiker“-Buch sehr abgeholt und genau das habe ich mir von ihm signieren lassen. Ich hätte so gerne noch über dieses alte Buch mit ihm gesprochen und was dessen Lektüre alles mit mir gemacht hat, aber als schüchterner und introvertierter Mensch kommt man gegen extrovertierte Instagram-Influencerinnen in der Menschenmenge einfach nicht durch. Es war wohl auch ziemlich naiv von mir zu denken, dass ich bei so einer Veranstaltung mit ihm sprechen könnte. Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. Ich bin schon froh, dass das mit der Signatur wenigstens geklappt hat. Ich war dann noch abends bei der Veranstaltung in der Deutschen Nationalbibliothek, wo Precht und Welzer mit Michel Friedmann ein weiteres Gespräch über das Buch geführt haben. Aber da waren beide Autoren für mich so schnell weg, sie sie gekommen waren.

China in der Pandemie

Johanna Marx (Schauspielerin; liest aus Liao Yiwus Roman), Liao Yiwu (Author), Dominik Wu (Übersetzer),
Jörg Beige (Amnesty International, Moderation), Lotte Laloire (Reporter Ohne Grenzen, informiert über Internetzensur und Überwachung in China)

Aus persönlichen Gründen interessiere ich mich zur Zeit für asiatische Kulturen. Deswegen nahm ich am Sonntag noch an einer Veranstaltung in der Frankfurter Naxoshalle teil, wo der Autor Liao YiWu ein Gespräch über „Zensur, Internetkontrolle und Propaganda gegen mutige Bürgerjournalist:innen“ in China führte. Ein sehr krasses Thema, wie ich finde. Meine Mutter teilte mir mit, dass es in Vietnam nicht anders wäre. Sie stammt aus dem Land. Das Buch, das wir in der Naxoshalle besprochen haben, heißt Wuhan. Es ist ein Dokumentarroman zum Ausbruch des Corona-Virus in China. Während der Lesung spielte der Autor Liao YiWu immer mal wieder auf seiner Xiao-Flöte, dessen Spielkunst er im chinesischen Gefängnis erlernt hatte. Das waren melancholische Melodien, die mich während der Lesung sehr entspannt haben. Denn Buchmessetage können für sensible Menschen mit der ganzen Reizüberflutung auch sehr anstrengend sein; so schön das Event auch ist.

Die Schauspielerin Johanna Marx las ein paar Passagen auf deutsch aus dem Buch vor. Als sie das tat, zeigte der Moderator Jörg Beige oben auf der Leinwand ein YouTube-Video, das Anfang 2020 live in China bei Pandemie-Ausbruch von einem mutigen Bürgerjournalisten aufgezeichnet wurde. Insgesamt dauert dieses Video über vier Stunden. Oft ist auch nur ein schwarzer Bildschirm zu sehen, weil der Journalist das Licht ausgeknipst hatte, um von der Polizei in seiner Wohnung nicht gestürmt zu werden. Die gezeigten Video-Ausschnitte untermauerten die von Johanna Marx vorgetragenen Lesepassagen ungemein. Ich konnte die Angst in diesem Video förmlich spüren.

Übrigens lebt der Autor Liao YiWu schon seit zehn Jahren im chinesischen Exil in Berlin. Er hat den Live-Stream von dem chinesischen Bürgerjournalisten Anfang 2020 damals von Berlin aus live mitverfolgt. Dieses Video ist in China auch nicht abrufbar, sondern nur von anderen Teilen der Welt aus. Die Ausspielung des Videos wird über eine chinesische Firewall gesperrt. Als ich das gehört habe, musste ich mich immer wieder fragen, wie vergleichbar diese Situation mit der in Russland ist. Für mich war das also emotional eine sehr intensive Lesung in der Naxoshalle. Ein solches Buch über die Pandemie haben wir alle wohl noch nicht gelesen.

Bei der Veranstaltung habe ich erfahren, dass Liao YiWu am Tag zuvor auf der ARD-Bühne der Frankfurter Buchmesse zu Gast war. Falls euch China in der Pandemie auch so brennend interessiert, hier mal der Link zum Gespräch auf der ARD-Bühne:

Spanien war Gastgeberland

Schön war für mich auch die Tatsache, dass Spanien Gastgeberland der Frankfurter Buchmesse war. Als Frau eines Halbspaniers war es deshalb für mich und meine Schwiegerfamilie sehr spannend zu sehen, wie sich Spanien auf der Buchmesse so präsentiert. Da sind wir nicht enttäuscht worden. Ich glaube, dass über 200 spanische Autoren und Autorinnen auf der Buchmesse vertreten waren. So hat zum Beispiel auch am vergangenen Dienstag das spanische Königspaar die Buchmesse eröffnet. Ich war da leider noch nicht da, sonst hätte ich ein paar Fotos gemacht.

Inhalte online verfügbar

Insgesamt hatte die Buchmesse noch viel mehr zu bieten als das, was ich nun hier aufgelistet habe. Das Gespräch mit Luisa Neubauer auf der Sheroes-Bühne hätte ich zum Beispiel noch gerne live gesehen. Deswegen ist es auch top, dass so gut wie alle Gespräche aufgezeichnet wurden und deshalb auch online aufzufinden sind. Den Detektor.fm-Buchmesse Podcast möchte ich an dieser Stelle noch erwähnen, weil auch dort so viele spannende Autorinnen und Autoren zu Wort kamen.

Ich wollte euch heute nur einen kleinen Eindruck von der Frankfurter Buchmesse vermitteln, weil das wirklich eine bemerkenswert schöne Veranstaltung im Herbst ist. Sie war für mich ein bereicherndes Erlebnis mit einem tollen Flair in den Messehallen, wo mir persönlich viel Raum für Austausch und Inspiration geboten wurde. Ich wünsche mir sehr, dass ich das im nächsten Jahr wiederholen kann. Denn ich liebe Bücher und ich freue mich über die vielen spannenden Rezensionsexemplare, die ich über den Messebesuch bei den Verlagen nun für mich akquirieren konnte. Die Reise ist meine alte Heimat Frankfurt hat sich also allemal für mich gelohnt.