Für ein positives Leben ohne Alkohol.

Co-Abhängigkeit, Nüchternheit, Sensibilität

Warum ist Alkoholwerbung immer noch erlaubt?

Podiumsdiskussion_Frage

Im Rahmen der vergangenen NACOA-Aktionswoche 2022 fand am 11. Februar eine spannende Podiumsdiskussion als Kick-Off Veranstaltung statt.

Die Politiker:innen Dirk Heidenblut (SPD), Kirsten Kappert-Gonther (Bündnis 90/DIE GRÜNEN) und Kristine Lütke (FDP) nahmen daran teil. Weiterhin kamen Menschen aus der Praxis zu Wort, die also täglich mit Kindern aus suchtbelasteten Familien konfrontiert werden. Den Input von Letzteren fand ich besonders wertvoll, da mir in diesem Ausmaße natürlich vieles nicht bekannt war.  Via Zoom-Chat war es für Interessierte wie mich möglich am Ende der Veranstaltung Fragen zu stellen. Da ich nicht jeden Tag die Möglichkeit habe mit Politiker:innen über die hiesige Alkoholpolitik zu sprechen, nahm ich diese Gelegenheit wahr.

Über diverse Medienberichte wissen ja die meisten von uns, dass wir hierzulande eine sehr starke Alkohol-Lobby haben. Deswegen ist es vermutlich auch ein bisschen vergebliche Liebesmühe gewisse Fragen an Politiker:innen zu stellen. Aber im Fall der suchtbelasteten Familien wollte ich das trotzdem tun, da diese Kinder, wie die Diskussion auch hervorragend gezeigt hat, hier häufig durchs System fallen. Das heißt die Familie muss erst auffällig geworden sein, bevor etwas passiert. Kinder von Graubereichstrinkern:innen fallen hier also in jedem Fall schon mal durchs Raster. Weil die Alkohol-Lobby hier so stark ist, rechne ich es jedem/jeder Politiker:in sehr hoch an, wenn er oder sie sich für solche Panels zur Verfügung stellt. Mir ist auch bewusst, dass diese drei Politiker:innen gewiss nicht persönlich für diese fragwürdige Alkoholpolitik verantwortlich sind. Aber mir war es wichtig, dass sie meine Fragen gestellt bekommen, damit sie mit guten Argumenten in ihre eigenen Debatten gehen können, sodass sich hier hoffentlich bald mal etwas verändert. Ich wollte, dass sie einen persönlichen Einblick erhalten, was für ein beklemmendes und belastendes Lebensgefühl es ist aus einer suchtbelasteten Familie zu stammen.

Mit meinem guten Bekannten, der ein COA, also ein Child of an Alcoholic ist, tat ich mich also zur Erstellung eines Fragenkatalogs zusammen. Wir kamen auf insgesamt neun Fragen, die wir gerne von der Politik beantwortet hätten. Mein Bekannter war zeitlich leider verhindert, sodass ich die Fragen für uns beide allein stellen sollte. Am Ende konnte ich nur eine der neun Fragen in den Chat stellen. Die Zeit war zu knapp. Es war eine Frage, die mir aus der #nüchtern-Bewegung schon sehr vertraut ist und die ich in dieser speziellen Runde aber stellvertretend für alle COAs formuliert habe. Die Frage, wie ich sie in den Chat geschrieben hatte, lautete in etwa so:

Warum ist Alkoholwerbung immer noch erlaubt? Sollte man nicht besser analog zu den Zigarettenwerbungen auf jeder Bierflasche ein Bild von vollgekotzten Menschen abdrucken oder auf jeder Weinflasche ein Bild von verängstigten Kindern neben ihrem alkoholisierten Elternteil oder auf Sektflaschen Bilder von Menschen mit Korsakow etc. zeigen?

(Das Korsakow-Syndrom (Morbus Korsakow) ist eine Erkrankung des Gehirns, die sich vor allem durch starke Gedächtnisstörungen äußert und dem amnestischen Syndrom zugeordnet wird. Die Krankheit entsteht meist nach jahrelangem und starkem Alkoholkonsum. Die Störungen sind auch bei fachgerechter Therapie in der Regel nicht vollständig umkehrbar.)

Der Grundgedanke zu dieser Frage ist dieser hier: Würde es nicht auch den Kindern aus suchtbelasteten Familien helfen, wenn Alkohol allgemein weniger verharmlost und statt dessen besser aufgeklärt werden würde? Falls euch die Reaktion darauf interessiert: Ab Stunde 1, Minute 24 wird auf meine Frage eingegangen:

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Ich danke Katharina Balmes und Stephan Kosch für die Rückendeckung.

Übrigens waren die Warnhinweise auf den Weinflaschen auch letzte Woche Thema im EU-Parlament, aber wirklich Hoffnung habe ich nicht, dass sich da viel ändert. Die jüngsten Informationen hinsichtlich Werbung und Verfügbarkeit entnehme ich einem Artikel von Spiegel online am 18.02.2022, aus dem hervor geht, dass die Grünen-Bundestagsabgeordnete Linda Heitmann fordert, Werbung für Alkohol und Glücksspiel zu beschränken. Außerdem schlägt sie vor, harten Alkohol künftig nur noch eingeschränkt zu verkaufen. Also offensichtlich gibt es doch den ein oder anderen im Bundestag, dem das Problem bewusst ist. Ich hoffe, dass Frau Heitmann nicht auch mundtot gemacht wird, so wie es einst Sabine Bätzing-Lichtenthäler von der SPD erging. Von 2005 bis 2009 war sie die amtierende Drogenbeauftrage und legte während ihrer Amtszeit ein, in meinen Augen sehr mildes, Aktionsprogramm zur Alkoholprävention vor. Um mal ein paar Beispiele daraus zu nennen: An Tankstellen und Bahnhöfen sollte es nach Ihrem Programm keinen Alkohol mehr geben ab 22 Uhr, Alkoholwerbung im Fernsehen und im Kino erst nach 20 Uhr, Promillegrenze für Autofahrer absenken auf zunächst 0,3 und dann 0,0 Promille. Damals konnte sie nichts davon durchsetzen. Woran das gescheitert ist, könnt ihr hier nachlesen. Aber dieses Beispiel zeigt, wie dringend notwendig es ist, dass sich eine andere Wahrnehmung von Alkohol auch im Bundestag einstellt. Der politische Prozess scheint schwer blockiert zu sein und in den Kinderschuhen zu stecken.

Nichtsdestotrotz war die NACOA-Podiumsdiskussion eine gelungene Auftaktveranstaltung. Zudem ist es schön, dass so etwas online statt findet und uns später zur Verfügung gestellt wird. So bekommen wir einen besseren Einblick, wie es da so abläuft und müssen nicht alle nach Berlin reisen. Obwohl mir die Beantwortung meiner Frage zu unverbindlich war, wurde insgesamt die Absicht bekundet zukünftig mehr für Kinder aus suchtbelasteten Familien zu tun und die Politiker:innen haben aufmerksam zugehört. Das sind wohl noch dicke Bretter, die gebohrt werden müssen.

Vielleicht findet sich ja noch eine Möglichkeit meine restlichen Fragen zu stellen. Sonst bin ich im nächsten Jahr bestimmt wieder dabei :-).

Beitrag vom Y-Kollektiv

Der Beitrag über die Alkoholsucht seines Vaters von Andy Schneider aus dem Y-Kollektiv, der in der Podiumsdiskussion auch angesprochen wurde, ist übrigens dieser hier:

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Zur Info:

Nathalie Stüben hat ebenfalls mal ein sehr interessantes Video über die Verflechtung der Politik mit der Alkoholindustrie auf ihren YouTube-Kanal gestellt. Dazu führte sie ein Interview mit dem ehemaligen Geschäftsführer der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen Rolf Hüllinghorst. Ich fand das wirklich spannend und entrüstend zugleich:

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