Das obige Beitragsbild hat mir eine marokkanische Mutter aus unserem Kindergarten zur Verfügung gestellt. Sie hatte es mal eine Zeit lang als WhatsApp-Profilbild. Die Farben, das Riesenrad und die Kleidung der Personen auf dem Bild haben mir so gut gefallen, dass ich es unbedingt für diesen Beitrag verwenden wollte. Denn heute möchte ich darüber schreiben, warum ich denke, dass unser Kindergarten genau der Richtige für uns ist.
Ein KiTa-Platz in der Großstadt ist wie ein Lottogewinn
Wir leben in Hannover, also in einer norddeutschen Großstadt. Als ich vor vier Jahren zum ersten Mal Mutter wurde, teilte mir kein Mensch mit, welch riesige Herausforderung es werden würde in unserer Stadt einen KiTa-Platz zu bekommen. 2018 besuchte ich mit meinem damaligen Säugling einen PEKiP-Kurs*, in dem das Thema Fremdbetreuung im Verlauf des ersten Lebensjahres unserer Kinder nach und nach dringlicher wurde. Denn die meisten Mütter, die ich dort kennen lernte, wollten nach zwölf Monaten Elternzeit wieder zurück in den Beruf. Dennoch hatten wir alle Dezember-Kinder bekommen und damit waren wir per se schon zu spät dran mit den KiTa-Anmeldungen für das nächste Jahr. Also wenn du zum Beispiel ab August einen KiTa-Platz haben willst, hättest du regulär bereits im Herbst davor anmelden müssen. Denn die meisten KiTas nehmen unterjährig keine neuen Kinder auf. Es sei denn du hast Glück und ein Kind zieht z.B. weg, sodass ein belegter Platz frei wird, den dein Kind einnehmen könnte. Aber dadurch, dass all unsere Kinder erst im Winter geboren wurden, waren wir von vorn herein zu spät mit den Anmeldungen. So etwas sagt dir aber kein Mensch vor der Geburt. Zudem leben wir in einem Stadtteil, der sehr kinderreich ist. Das heißt, dass es schon einem Gewinn im Lotto gleichkommt, wenn man in unserem Bezirk überhaupt einen KiTa-Platz bekommt. Also meldete ich meinen Sohn gefühlt überall an, was nicht bei drei auf den Bäumen war. Dabei zogen wir auch die benachbarten Stadtteile in Erwägung. Am Ende waren wir bei 23 KiTas angemeldet, von denen wir insgesamt nur drei Zusagen erhielten.
Nach gründlicher Besprechung und Abwägung entschieden mein Mann und ich uns für eine KiTa, die in einem anderen Stadtteil liegt als unsere Wohnung. Die KiTa überzeugte uns von ihrem pädagogischen Konzept, von den Räumlichkeiten und vom Außengelände her. Den längeren Anfahrtsweg nahmen wir dafür in Kauf. Wir beide hatten ein unterschwelliges Bauchgefühl dafür, dass diese KiTa am besten zu uns passen könnte.
Zweisprachigkeit
Denn unsere Kinder werden zweisprachig erzogen. Mein Mann ist Halbspanier und redet mit unseren Kindern ausschließlich spanisch. Ich bin zwar Halbvietnamesin, wurde aber nur einsprachig erzogen. Deswegen rede ich mit unseren Kindern nur deutsch. In meinen Augen hat es sehr viele Vorteile die eigenen Kinder mehrsprachig zu erziehen: Neben der Fremdsprache, die die Kinder so erlernen, gibt man über die zweisprachige Erziehung auch ein ordentliches Stück an Kulturgut mit. Das ist wichtig für sie und ihre Entwicklung. Also in dem Sinne, dass sie ihre Wurzeln kennen und somit, wie bei uns, im Heimatland ihres Vaters, nicht komplett LOST sind. Denn sie können sich artikulieren. Als ich 2013 30 Jahre alt wurde, habe ich mir zum Geburtstag eine Rundreise nach Vietnam geschenkt. Noch nie zuvor war ich in dem Heimatland meiner Mutter gewesen, weil wir aufgrund des Vietnamkriegs dort keine Familienangehörigen mehr haben. Dafür ist unsere Familie auf der ganzen Welt verteilt, was von Vorteil für unsere Familienurlaube ist. Aber als ich 30 wurde, war der Wunsch mehr über Vietnam zu erfahren so riesig, dass ich gar nicht anders konnte, als mir mit einer guten Freundin ein Open Bus Ticket zu besorgen, um von unten nach oben mit dem Rucksack das Land zu bereisen. Dabei fiel ich als asiatisch aussehende Frau überhaupt nicht auf. Die ganzen Moped-Fahrer, die den Touristen ihre Fahrdienste anbieten wollten, hatten es alle auf meine blonde Freundin abgesehen. Dabei war ich in dem Land genauso fremd wie sie bzw. ohne meine Katha wäre ich komplett verloren gewesen. Denn Katha ist, im Gegensatz zu mir, eine Weltenbummlerin und findet sich gefühlt überall zurecht. Sie führt auch einen eigenen Reiseblog: ipackedmybackpack.de, auf dem sie die schönen Bilder ihrer Reisen hochlädt. Momentan sind unsere Vietnambilder nicht darauf zu finden, aber die Reise ins Meraner Land haben wir 2016 auch zusammen gemacht.
Unser Familienstammbaum in Nationalitäten
Hier ein kleiner Abriss über unseren Familien-Stammbaum bezüglich der Nationalitäten:
Dass ich als Halbasiatin mal ein Kind mit himmelblauen Augen bekommen würde, hätte ich nicht für möglich gehalten. Unsere Tochter hat nämlich die Augen ihres Vaters geerbt. Sie geht damit glatt als Europäerin durch, während mein Sohn eher einem Peruaner ähnelt, wie mir mal ein Postbote mitteilte. Immerhin stimmt schon mal die spanische Sprache.
Meine Mutter hat früher immer in ihrer Heimatsprache mit mir geschimpft. Weil das ziemlich häufig vorkam, kann ich das heute auch . Meine Kinder freuen sich darüber, wenn ich auf Mandarin mit ihnen schimpfe 🙂 Mandarin kommt dem Hochchinesisch gleich. Die Eltern meiner Mama stammten aus China. Irgendwann sind meine Großeltern nach Vietnam ausgewandert, sodass meine Mutter bis 1980 ihr gesamtes Leben in Vietnam verbracht hat. Seitdem lebt sie in Deutschland. Wie sich meine Eltern kennen gelernt haben, werde ich zu einem späteren Zeitpunkt schreiben.
Die Stadtbibliothek hilft
Für die Zweisprachigkeit ist es nicht nur wichtig , dass man mit den Kindern in der Sprache spricht, sondern ihnen auch vorliest. In Hannover gibt es in der Stadtbibliothek Bücher, die die Bilingualität fördern.
Das heißt, dass es dort Bücher gibt, die sowohl auf Deutsch als auch auf Spanisch sind und die dann beide Elternteile vorlesen können. Weiterhin gibt es dort Kinderbücher, die nur in einer Fremdsprache sind. In unserer Bibliothek sind z.B. Kinderbücher in all diesen Sprachen verfügbar:
Arabisch | العربية | |||
Chinesisch | 中国人 | |||
Englisch | English | |||
Französisch | Français | |||
Griechisch | ελληνικά | |||
Italienisch | Italiano | |||
Kurdisch – kurdî | سۆرانی | |||
Persisch | فارسی | |||
Polnisch | Polski | |||
Russisch | Русский | |||
Spanisch | Español | |||
Türkisch | Türkce |
Ich finde das großartig, da es uns mit dem Angebot an spanischen Kinderbüchern um einiges leichter gemacht wird die Zweisprachigkeit zu fördern. Mehrsprachigkeit ist nämlich heutzutage etwas ganz Normales, wenn die Familienkonstellation das hergibt. Mit drei Sprachen wächst der Sohn meines Schwagers auf: Mein Schwager hat eine Tunesierin geheiratet. Sie spricht mit ihrem Kind nur arabisch, mein Schwager spricht mit ihm spanisch und deutsch lernt das Kind dann entweder über die deutsche Verwandtschaft meiner Schwiegerfamilie oder über die KiTa.
Was mich an unserem Kindergarten auch sehr beeindruckt, ist, dass die Erzieher:innen eine gewisse Offenheit gegenüber der Mehrsprachigkeit der Kinder haben. Dort ist zum Beispiel freitags immer „Spielzeug-Freitag“. Das bedeutet, dass jedes Kind ein schönes Spielzeug oder ein spannendes Buch von zu Hause mitbringen darf, um es dort im Morgenkreis zu präsentieren. Neulich wollte mein Sohn das bilinguale spanische Kinderbuch, das wir aus der Stadtbibliothek haben, mitnehmen. So gab ich seinem Erzieher Kaan, von dem ich denke, dass er türkischer Abstammung ist, den Hinweis, dass das spanische Kinderbuch nicht uns gehört, sondern nur ausgeliehen ist. Ich wollte damit bezwecken, dass es wieder heile bei uns zu Hause ankommt. Aber Kaan meinte sofort bei der Abgabe, dass er versuchen möchte, das Buch unserem Sohn vorzulesen. Er hätte früher mal spanisch in der Schule gehabt. Mit dieser Reaktion hatte ich gar nicht gerechnet. Kaan hatte mir damit für den Rest des Tages ein Lächeln aufs Gesicht gezaubert. Ich bin einfach gar nicht davon ausgegangen, dass jemand von den Erzieher:innen spanisch kann und die Bereitschaft hat unserem Kind das Buch vorzulesen. Deswegen mag ich diesen Kindergarten so sehr. Ich spüre, dass meine Kinder dort gut aufgehoben sind. Auch ich lerne über den Kontakt zu anderen Eltern noch viel dazu. Für ein gemeinsames vorweihnachtliches Frühstück soll ich Halal-Wurst besorgen, von der ich bis vor kurzem noch gar nicht wusste, was das ist.
Bei bilingualer Erziehung muss man Cojones** haben.
Sein Kind zweisprachig zu erziehen, ist mutig. Meine Eltern werden damals in den 80er Jahren, als ich geboren wurde, ihre Gründe gehabt haben, warum sie das lieber nicht taten. Von meiner Schwiegermutter bekomme ich mit, wie häufig sie sich vor anderen Leuten rechtfertigen musste, ihre Kinder zweisprachig zu erziehen. Mit so etwas werden wir heute weniger konfrontiert. Allerdings ist die Zweisprachigkeit unserer Kinder bis dato immer auch ein Thema bei den kinderärztlichen U-Untersuchungen, die jedes Jahr stattfinden. Dort wird gecheckt, ob sich das Kind altersgerecht entwickelt. Nach dem, was ich beobachten konnte, fangen bilinguale Kinder ungefähr ein Jahr später an zu sprechen. Daher kann es sein, dass der Wortschatz des Kindes bis zur entsprechenden U-Untersuchung in Deutsch noch nicht so ausgereift ist, wie bei anderen Kindern. Kinderärzt:innen, die die Zweisprachigkeit nicht berücksichtigen, geben dann als Feedback, dass das Kind sprachlich zurück sei. Von solchen Äußerungen würde ich mich aber nicht verunsichern lassen bzw. danach das Gespräch mit dem Kindergarten suchen, ob das dort ähnlich wahrgenommmen wird. Die Erzieher:innen können einen dann meist sehr gut beruhigen, weil sie die Verlaufsentwicklung des Kindes besser einschätzen können als eine einstündige Momentaufnahme in der Kinderarztpraxis.
Tebalou – Für mehr Vielfalt im Kinderzimmer
Ich finde unseren Kindergarten auch deshalb so toll, weil es dort soviele Kinder mit Migrationshintergrund gibt. Letztes Jahr war unsere Tochter in einer Gruppe mit drei schwarzen Kindern. Wenn wir uns als Eltern Gedanken darüber machen, was wir den Erzieherinnen als kleine Aufmerksamkeit zu Weihnachten schenken können, einigen wir uns schnell auf einen Gutschein vom Online-Shop Tebalou // unbezahlte Werbung. Letztes Jahr hatten wir ihnen personalisierte Tassen geschenkt, sodass sie dieses Jahr mithilfe des Gutscheins schönes, diverses Spielzeug für die Gruppe kaufen können. Ich kenne diesen Shop, weil darüber viel in den Diversitäts-Podcasts gesprochen wird, die ich höre, wie z.B. im tupodcast. Zu Weihnachten und Kindergeburtstagen kaufe ich dort gefühlt den ganzen Laden leer. Dort gibt es Bücher vom Zuckersüß Verlag // unbezahlte Werbung.
Meine Kinder und ich lieben diese Bücher. Ich habe den Eindruck, dass sie die Kinder mit tiefen Botschaften bereit für die Welt da draußen machen. Die Helden in den Geschichten sind divers bzw. haben unterschiedliche Hautfarben. Ich halte das für elementar wichtig. Warum ich das für so wichtig halte, bringt Samy Deluxe in seinem Lied „Superheld“ hervorragend auf den Punkt:
Es geht um die Stärkung des Selbstwerts der Kinder, die ausländische Wurzeln haben. Dieser 2009 erschienene Samy Deluxe Song hat in der Öffentlichkeit damals kaum Beachtung gefunden. Ich gebe zu, dass ich den Song auch erst seit Black Lives Matter kenne. Vor dem Tod von George Floyd sind mir tatsächlich keine Hautfarben aufgefallen. Denn sowohl in meiner Kindergartengruppe wie auch in meiner Schulklasse war immer mindestens ein Kind mit schwarzer Haut, mit dem ich auch eng befreundet war. Heute nehme ich diese unterschiedlichen Hautfarben aber sehr wohl wahr und stelle mir die Frage, ob der hautfarbene Buntstift wirklich so heißen muss. Wenn ja, was ist dann mit der Haut der schwarzen Kinder? Wäre es nicht zeitgemäßer ihn in „hellrosa“ oder „blassrosa“ umzubenennen? Wie werden die schwarzen Kinder, die bei meiner Tochter in der Gruppe sind, mit unserer Gesellschaft zurecht kommen? Was wird das Leben für sie bereithalten und wie wird man sie behandeln?
Ich hoffe, dass sie frei von Vorurteilen und Klischees gegenüber schwarzen Menschen aufwachsen können und dass sie aufgrund ihrer Hautfarbe in keine Identitätskrise geraten werden. Ich wünsche mir, dass sie die gleichen Chancen auf Bildung, einen guten Job und ein erfülltes Leben erhalten werden wie jedes andere Kind ohne Migrationshintergrund.
Es beginnt im Kindergarten
Das man wahrnimmt, dass man irgendwie anders ist, fängt meistens im Kindergarten an, wenn die Anderen dir Schlitzaugen ziehen oder dich ständig mit den Worten „Ching Chang Chong“ konfrontieren. Ich weiß, dass das damals meinem Halbbruder als er 1980 mit meiner Mutter aus dem kriegszertrümmerten Vietnam kam, sehr zu schaffen gemacht hat. Er war damals vier und konnte noch kein Wort Deutsch, was ihm den Start hier schwer gemacht hat. Als mir die Schlitzaugen gezogen wurden, beherrschte ich immerhin die deutsche Sprache, was es mir leichter machte mich zu wehren und andere Kinder in ihre Schranken zu weisen, sofern ich mich das traute. Mein Mann kennt solche Attacken nicht. Denn ihm sieht man nicht an, dass er ebenfalls ein Mischling ist. Da mein Schwager ja mit einer Tunesierin verheiratet ist, mag meine Schwiegermutter die französische Komödie Monsieur Claude und seine Töchter, weil der Film eins zu eins auf ihre Söhne zutrifft. So sind wir eine richtige Multi-Kulti-Familie. Ich liebe es, dass die Schwiegermutter meines Schwagers mit meiner Mutter französisch sprechen kann, da in Tunesien französisch gesprochen wird und Vietnam mal eine französische Kolonie war. Ich bin gerne für eine Firma tätig, die in Vietnam produziert, da ich mich unter vietnamesischen Kollegen wohl fühle. Ich fühle mich da wie zu Hause bei meiner Mutter. Ich kenne die Gepflogenheiten und nichts muss groß erklärt werden. Wir leben mittlerweile im 21. Jahrhundert und die Globalisierung hat ihren Lauf genommen. Das erkennt man auch auf der Verpackung der Kinderschokoriegel.
Früher war da nur ein Junge mit braunen Haaren abgebildet.
Ein unterstützendes Produkt
Mit dem heutigen Blogbeitrag möchte ich die Gründerin von Miniglotte // unbezahlte Werbung unterstützen:
Ich kenne sie zwar leider nicht persönlich, jedoch meine Freundin, die letztes Jahr ihr grünes StartUp gegründet hat. Ich denke, dass es wichtig ist, dass wir Gründerinnen uns gegenseitig helfen und deswegen möchte ich hiermit auf die Crowdfunding Kampagne von Miniglotte hinweisen, die nur noch bis zum 21.12.2021 geht.
Miniglotte ist eine strategische Lernbox für Kinder unter 4 Jahren. Mithilfe der Box können unter pädagogischer und logopädischer Anleitung Lernziele für die Kinder bestimmt werden. Die Boxen sind erhältlich auf französich, deutsch, englisch, spanisch, italienisch, russisch und türkisch.
Falls ihr mehr darüber erfahren wollt, schaut mal bei dem Instagram-Account von Miniglotte vorbei.
Ich denke, dass Miniglotte neben dem bilingualen Angebot unserer Stadtbibliothek eine hervorragende Ergänzung zur Förderung der Zweisprachlichkeit darstellt. Ich wünsche Afi Huguette Kreyling alles Gute für Ihr Produkt & viel Erfolg für die Crowdfunding Kampagne!
*PEKiP steht für „Prager-Eltern-Kind-Programm“. Dabei handelt es sich um eine Art sanfte Begleitung des Babys und seiner Eltern durch die ersten 12 Monate. Im wesentlichen werden dir in diesen Kursen Spielanregungen für dich und dein Kleines für zu Hause vermittelt. Ich bin zu diesen Kursen immer gerne gegangen, weil mir der Austausch mit anderen Müttern wichtig war. Einmal in der Woche konnte man sich mal so richtig darüber auslassen, wie schwierig das manchmal mit der Stillerei und den Launen bzw. dem Schlafverhalten deines Babys ist. Es tat mir auch gut mitzubekommen, dass auch andere Paare miteinander Schwierigkeiten hatten, weil ihre Beziehung unter den Herausforderungen litt, die ein Baby so mit sich bringt. In dieser Elternrolle müssen beide als Paar auch erst mal hinein wachsen. Der PEKiP-Kurs hatte mir dabei geholfen.
** “Cojones haben“ heißt so viel wie „Eier haben“