Ich habe es dieses Jahr wieder gewagt und bin den Hannover Halbmarathon mitgelaufen. Anders als im letzten Jahr hatte ich dieses Mal ein richtiges Lauftrikot von OAmN in petto. Somit war ich als kleine Werbefläche für die Unternehmung von Nathalie Stüben unterwegs.
Warum laufe ich für OAmN?
In meinen Augen macht Nathalie den nüchternen Lebensstil für uns salonfähig. Seitdem sie damals im Oktober 2019 mit ihrem ersten und zu jener Zeit einzigen deutschen Podcast an den Start ging, hat sich einiges verändert. Auch wenn hier politisch noch zu wenig agiert wird, habe ich den Eindruck, dass die Message, dass Alkohol eine gefährliche Droge ist, langsam bei den Leuten ankommt. Ob ein Glas Wein am Abend gesund ist oder nicht, wurde neulich zum Beispiel auch 15 Minuten in meinem Spanischkurs diskutiert. Vor fünf Jahren hätten wir uns nie so lange an dieser Fragestellung aufgehalten. Da bin ich mir sicher. Was ich bei solchen Debatten bemerke, ist, dass all die nützlichen Informationen, die ich zum Argumentieren benötige, ich durch Nathalies Arbeit parat habe, wie zum Beispiel aus diesem Blogartikel hier:
Sie gibt mir also die Fakten und Quellen an die Hand, um diese hartnäckigen Mythen aus der Welt zu schaffen. Denn über ihre kostenlose Medieninhalte, wie zum Beispiel über YouTube, Instagram, ihren Podcast oder den Newsletter klärt Nathalie auf. Sie ist eine der lautesten Stimmen der #nüchtern-Bewegung in Deutschland und gibt damit Menschen, wie mir, ein neues Lebensgefühl. Sie setzt sich für uns in die Talkshows und zeigt dem Gesundheitsminister Karl Lauterbach, wo der Haken hängt. Sie diskutiert für uns in 13 Fragen mit und dabei bleibt sie stets authentisch. Ich denke, dass das ihre größte Stärke ist. Bei Markus Lanz legt sie für uns den Stachel in die Wunde und fordert die Politik auf harscher gegen diese lapidare Alkoholpolitik vorzugehen. Damit würde insgesamt weniger Leid herrschen, besonders in den betroffenen Familien, mentale Gesundheit würde stärker in den Fokus rücken und das Gesundheitssystem wäre entlasteter, weil so weniger Menschen trinken müssen. Denn ob jemand regelmäßig abends zu viel trinkt oder nicht, ist irgendwann keine freie Willensentscheidung mehr. Alkohol greift die Botenstoffe in unserem Gehirn so an, dass wir irgendwann gar nicht mehr anders können als zu viel zu trinken. Deswegen hat das mit dem Trinken irgendwann tatsächlich nicht mehr so viel mit Freiwilligkeit zu tun.
Aus all den genannten Gründen werde ich Nathalie gewiss immer unterstützen und voller Stolz ihr Shirt an solchen Laufveranstaltungen tragen. Ihre Sache ist wichtig. Ihre Arbeit schlägt immer größere Wellen. Ich freue mich riesig darüber, dass sie wächst und auch, dass Nathalies Unternehmung wächst, weil das bedeutet, dass sie von dem, was sie tagtäglich so reichweitenstark für uns tut, auch leben kann. Denn so ein Online-Unternehmen zu führen, ist Arbeit, sehr harte Arbeit sogar. Es erfordert Fleiß, Mut und Disziplin, gewiss auch eine bestimmte Agilität und einen wachen Geist. OAmN ist kein Selbstläufer. Nathalies wachsende Online-Unternehmung schenkt ihr sozusagen die Freiheit so arbeitsintensiv für unsere nüchtern-Bewegung in Deutschland einzutreten, wie sie es derzeit tut. Mit all ihrer Liebe, Offenherzigkeit und Hingabe holt sie das Thema für uns aus der Schmuddelecke heraus. Dafür bin ich ihr sehr dankbar. Deswegen: Alle Power für dich & dein sagenhaftes Team, liebe Nathalie! ❤️
Der Lauf an sich
Der Lauf an sich lief wirklich gut. Die Stimmung rechts und links am Rand war bombastisch mit toller Musik. Es war also wirklich rundum eine gelungene Veranstaltung. Soweit ich das mitbekommen habe, wurde ich während des Laufens nicht auf mein Trikot angesprochen. Roland, den du vielleicht aus Nathalies Podcast kennst, ist aber auch mitgelaufen und hatte das gleiche Shirt an wie ich. Roland wurde darauf angesprochen, wie er mir später schrieb. Der Läufer, der ihn am Shirt erkannt hat, bedankte sich für seine Podcast-Folge mit Nathalie im Vorbeirennen. Das hat ihn sehr gerührt und ich habe Gänsehaut bekommen, als ich das gelesen habe. Das ist das, was ich meine mit, dass Nathalies Arbeit Wellen schlägt.
Für ein gemeinsames Bild von Roland und mir hat es am Wettkampftag nicht gereicht. Wir waren zwar fürs Foto verabredet, konnten uns aber in den Menschenmassen nicht finden. Mein Mann erzählte mir, dass an dem Tag wohl 27.000 Läufer*innen in Hannover an den Start gingen. Mit meiner Zielzeit von zwei Stunden und sechs Minuten bin ich absolut zufrieden und konnte damit eine Steigerung von drei Minuten im Vergleich zum Vorjahr erreichen. Aber generell beteilige ich mich an solchen Läufen nicht, um mich an meiner Zielzeit zu messen. Ich mache das vielmehr für mich selbst.
Mein Fazit zum Hannover Marathon:
Eine schöne Laufveranstaltung, die mir viel Freude bereitet hat und die das Potential hat eine Stadt zusammenzuschweißen. Gewiss werde ich nächstes Jahr erneut starten.
Warum ich im Moment so still bin
Jetzt muss ich noch ein paar persönliche Zeilen loswerden. Und zwar kamen in den vergangenen Wochen ein paar Zuschriften, die gefragt haben, warum ich hier gerade so inaktiv bin. Deswegen werde ich das kurz erklären und schreibe es einfach direkt und unverblümt heraus auf:
Ich habe meinen Bruder ziemlich plötzlich Mitte Februar verloren. Er ist an einer innerkörperlichen Ursache verstorben, von der wir nichts Genaueres wissen. Er hatte nicht den gesündesten Lebensstil und er war jemand, der auch nicht zum Arzt gegangen ist, wenn mal was war. Ich kenne viele Männer, die so sind. Dennoch hätte ich meinem Bruder mindestens noch 20 Jahre mehr gegeben. Er ist somit nur 47 Jahre alt geworden.
Seine Urnenbeisetzung ist jetzt ungefähr einen Monat her. Das Gefühl der Trauer habe ich noch nie so intensiv wahrgenommen, wie in diesen Tagen. Denn zum allerersten Mal ist meine Kernfamilie betroffen. Es ist so, als ob mir ein Stück vom Fundament entrissen wurde. Ich fühle mich wie angeschossen. Als Jüngstes von drei Kindern hat mich mein Bruder bei meiner eigenen Ich-Entwicklung ebenso geprägt und begleitet, wie es meine Eltern getan haben. Und was sind Geschwister? Sie sind die längste Beziehung deines Lebens. Da ist jetzt eine riesige Wunde in mir, die zunächst einmal verheilen muss. Dafür gibt es keine Abkürzung. Ich muss da durch. Der Tod gehört zum Leben dazu. Dabei bin ich nicht jeden Tag traurig. Meine Trauer kommt eher in Wellen. Doch wenn sie kommt, dann wird es richtig nass. Eine befreundete Pastorin drückte es so aus:
Ja, das ist so mit der Trauer… Sie kommt in Wellen. Und am Anfang und manchmal auch noch viel später, da reißt dich die Welle mit und du verlierst den Halt und bleibst nass und orientierungslos zurück.
Irgendwann, so kenne ich es, wird es so sein, dass die Wellen kleiner werden. Sie umspülen deine Füße und du bist dankbar dafür, dass sie deine Erinnerung und deine Liebe wach halten.
Bis dahin kann es dauern. Auch mehr als ein Jahr.
Und zu Jahrestagen oder im dunklen Herbst kann es auch nochmal schwerer sein. Gib dir Zeit. Feiere den Abschied bewusst. Und sei gut zu dir. Du musst mit der Absurdität klar kommen, dass dein Leben weitergeht. Und das ist viel…
Die Worte dieser Pastorin helfen mir sehr, weil sie ein bisschen erklären, dass es normal ist, so wie ich mich jetzt fühle: eine latente Traurigkeit, die mich derzeit jeden Tag begleitet.
Ich lese immer noch gerne eure Zuschriften. Ich freue mich darüber eure sober-Motivation zu sein. In Gedanken feiere ich euch jeden Tag dafür.
Aber das, was ich zur Zeit brauche, um Glückseligkeit zu erfahren, hat nichts mit einem Handy-Display zu tun, sondern eher mit dem Geruch von alt lackiertem Holz und sechs Saiten.
Denn über das Gitarre spielen scheine ich derzeit eine Verbindung zu meinem Bruder aufzubauen; auch wenn das jetzt verrückt klingt. Ich spiele Lieder aus unserer Jugend, Songs von Künstlern, die er gerne mochte, auf die er mich aufmerksam gemacht hat: R.E.M., Bruce Springsteen, Metallica, Guns N’ Roses, Phil Collins, seine Band Genesis und noch viele mehr.
Und auch das Laufen, die Vorbereitung auf diesen Halbmarathon, hat mir bisher viel geholfen seinen Tod zu verarbeiten. Denn wenn ich nur Chaos im Kopf habe, dann ist diese monotone Bewegung des Laufens ganz offensichtlich mein Mittel, um wieder Klarheit reinzubekommen. Für seine Beisetzung habe ich ihm einen Brief geschrieben. Daraus möchte ich eine Passage hier teilen, weil sie widerspiegelt, wie mein Bruder das Laufen ganz indirekt in meinem Leben platziert hat:
„… Du hattest einen hervorragenden Filmgeschmack: Allem voran die Rocky Balboa-Filme mit Sylvester Stallone schaue ich mir bis heute immer wieder gerne an. Sie ermuntern und motivieren mich für meine langen, langsamen Waldläufe, die ich im Zuge meiner Halbmarathon-Vorbereitung manchmal absolviere… Und da sind wir genau beim Thema: An dem Tag, an dem ich von deinem Tod erfuhr, war es wechselhaft und auch sehr mild in Hannover. Als mich die Nachricht von Papa über deinen Tod erreicht hat, war ich noch unterwegs, wo ich zunächst kollabierte: Ich konnte kaum atmen, laufen oder stehen. So sehr hatte mich dein Tod geschockt und so wenig hatte ich damit gerechnet. Nachdem ich mit unserer Mutter telefoniert und mich gefangen hatte, ging ich laufen. An dem Tag 18 km durch den Hannover‘schen Stadtwald, die Eilenriede, weil ich gar nicht anders konnte. Das Laufen gab mir an dem Tag den Halt, den ich brauchte. Während des Laufens nieselte es ein bisschen und zeitweise leuchtete auch ein wenig die Sonne zwischen den Baumkronen hervor und wärmten mir mein Gesicht. Eigentlich war dieser Lauf genauso, wie dein Leben, zumindest sehe ich das so: Manchmal regnete es und manchmal kam auch ein bisschen die Sonne durch. Ich habe beschlossen dich mit den Sonnenstrahlen in Erinnerung zu behalten. Und wenn mir heute im Wald die Sonnenstrahlen mein Gesicht wärmen, dann kommst du ganz unweigerlich in meine Gedanken. Du bist bei mir. Danke.
Warum ich gerade in diesen Tagen so dankbar für meine Nüchternheit bin
Dass es unwahrscheinliche Vorteile hat gerade jetzt nüchtern zu sein, brauche ich nicht groß erklären, denke ich. Trauer ist ein Gefühl, das gelebt werden möchte. Meine Nüchternheit hat mich gelehrt so gut es geht auf mich acht zu geben. Deswegen weiß ich ganz instinktiv, was mir jetzt guttut: Das Gitarre spielen, die langen Waldläufe und das viele, viele Schreiben. Ich bin mir nicht sicher, ob ich all das wüsste, wenn ich noch trinken würde. Jedes auch noch so schwere Gefühl, ist so viel leichter zu ertragen mit einem klaren Kopf, der dafür sorgt, dass ich einen guten Zugang zu mir selbst habe. So bleibe ich mit mir in Verbindung. Deswegen liebe ich es nüchtern zu sein und ich liebe unsere nüchtern-Bewegung. Besonders in diesen schweren Tagen stehe ich mit manchen von euch im tröstenden Austausch und merke bei unseren Gesprächen immer wieder, was das für herausragende Persönlichkeiten sind, die sich bewusst gegen das Trinken entscheiden. Das sind nämlich in der Regel, die, die ein bisschen mehr vom Leben erwarten als jedes Wochenende einen Vollrausch mit grauen Katermorgen zu erleben. Genau das ist auch der Grund, weshalb ich dieses Jahr trotzdem plane an dem ein oder anderen Offline-Sober-Event teilzunehmen, wie z.B. bei dem OAmN Sommerkongress. Denn der Austausch mit euch von Angesicht zu Angesicht, so live und in Farbe, tut mir gut. Und es gibt die ein oder andere Online-Koorperation, die ich mitmachen werde. Diese Kooperationen sind für mich wie kleine Leuchttürme in meinem Jahreskalender. Also so ganz raus bin ich nicht.
Ich verbleibe nun aber erst mal mit einer warmen Umarmung und einem stillen Gruß.
Eure Sonja