Heute rezensiere ich zum ersten Mal ein Kinderbuch. Es handelt sich um das Buch von Julia Pfannenstein „Papas kleiner Kobold“ mit Illustrationen von Anna Demchenko. Dieses Buch ist für Kinder geschrieben, bei denen mindestens ein Elternteil trinkt. Über die Geschichte von Antons Papa und die Bildsprache wird den Kindern etwas erklärt, was sie so zu Hause ggf. gar nicht in Worte fassen und deshalb auch nicht besprechen können. Der Kobold dient hier als Metapher für die Sucht des Vaters. Auf diese Weise wird den Kindern eine Sprache vermittelt, um das Unbesprechbare besprechbar zu machen. Denn die Alkoholsucht von Eltern ist ja meist das bestgehütete Familiengeheimnis.
Wenn ich nun Kinderbücher rezensiere, hat das den Vorteil, dass ich das bei mir zu Hause live testen kann. Das Buch ist für Kinder ab fünf Jahren geeignet und mein Sohn wird in wenigen Tagen fünf, er liegt also voll in der Zielgruppe ?. Zudem hat er die Angewohnheit, wenn wir zusammen ein neues Kinderbuch lesen, dass er im Anschluss das Buch gerne nochmal selbst ergreift, um mir anhand der Bilder die Geschichte in seinen eigenen Worten wiederzugeben. Anhand dieses zweiten „Lesevorgangs“ seinerseits konnte ich herausfiltern, was er alles an diesem Buch verstanden hat:
Anton findet seinen Papa toll.
Der Kobold sieht aus wie eine Sorge.
Auf das Wort Sorge ist er gekommen, weil wir hier zu Hause noch ein anderes Kinderbuch haben, das Sophias Sorge heißt. Er hat also sofort die Verbindung zu dem Kobold herstellen können, was großartig ist.
Den Kobold kann nur der Papa sehen.
D.h. mein Sohn hat verstanden, dass Antons Vater mit dem Kobold eine geheime Beziehung führt, die für andere unsichtbar ist.
Antons Vater ist böse wegen dem Kobold.
Weil der Kobold so groß ist, kann Papa am Geburtstag nicht mit in den Zoo kommen.
Die Krankheit von Papa dauert länger als ein gebrochenes Bein.
Es kommt also rüber, dass das mit der Alkoholsucht ein langwieriger Prozess ist, der nicht innerhalb von ein paar Wochen abgeschlossen ist.
Anhand der Aussagen meines Kindes würde ich sagen, dass dieses Buch ein Volltreffer ist. Es erreicht genau sein Ziel, also die Alkoholsucht von Eltern ihren Kindern näher zu bringen. Auch die Tatsache, dass der Kobold noch auf den letzten Seiten hier und da auf den Bildern versteckt zu erkennen ist, zeugt davon, dass die Autorinnen verstanden haben, wie so ein Suchtgedächtnis arbeitet. Antons Papa wird dafür Sorge tragen müssen, dass der Kobold nicht wieder größer wird. Also inhaltlich ist das Buch wirklich stark und zielgruppengerecht aufbereitet. Hervorheben möchte ich noch die starken Illustrationen der Geschichte, die den Kindern helfen die komplexe Gefühlswelt, die sich auf diesen Seiten abspielt, begreifbar zu machen.
Ich möchte noch kurz erzählen, wie es mir erging als wir das Buch zusammen gelesen haben: An manchen Textpassagen bekam ich Gänsehaut, weil mich die Geschichte so sehr an meine eigene erinnert hat. Das spricht für die hohe Qualität des Buches. Ich fand es wirklich unglaublich, was mein Sohn von dieser Geschichte schon alles verstanden hatte. Vielleicht ist es ja so, dass unsere Kinder solche komplexen emotionalen Angelegenheiten besser und leichter verstehen als wir Große.
Falls du neugierig darauf geworden bist, findest du es in jedem Buchladen deiner Wahl oder auch online:
Ich bin übrigens über die Podcast-Folge vom Sodaklub auf die Autorin Julia Pfannenstein aufmerksam geworden. Hier geht’s zur Folge, falls ihr sie noch nicht kennt.