Als ich vor 10 Jahren entschieden habe mit dem Trinken aufzuhören, war das Ambiente ein Ähnliches wie heute: Es war mitten im Sommer, ein wichtiges Fußball-Finale stand am Sonntag an. Damals war es die WM 2014, in der wir im Finale gegen Argentinien Weltmeister wurden und heute ist es die EM 2024. Dennoch ist heute alles ganz anders als im Sommer vor 10 Jahren. Damals steckte ich in einer Krise mit mir selbst, mit allem. Heute wache ich morgens auf und bin dankbar. Dankbar dafür, dass ich vor 10 Jahren diese Entscheidung für mich treffen konnte. Dankbar dafür, dass ich es mittlerweile schaffe mal nach rechts und nach links am Wegrand zu schauen, um zu prüfen, was da noch so alles für mich rum liegt. Denn wenn ich etwas über die letzten Monate sagen kann, dann das wirklich gar nichts so lief, wie es ursprünglich mal geplant war:
Ich habe dieses Jahr meinen Bruder verloren, viel zu früh, wie ich finde. Im Juni kam ich wegen einer schweren Mittelohrentzündung für neun Tage ins Krankenhaus. Wegen meiner Ohr-OP darf ich nun für drei Monate nicht fliegen, was bedeutete, dass ich diesen Sommer nicht mit meiner Familie nach Spanien fliegen konnte. Da ich aber nicht so lange auf meine Kinder verzichten wollte, habe ich mich kurzerhand dazu entschlossen mit dem Auto nach Spanien zu reisen. Dabei bin ich nur 500 km am Tag gefahren. Nach drei Tagen war ich da und habe mich nebenbei in Frankreich als Reiseland verliebt. Als ich im Juni die neun Tage im Krankenhaus war, habe ich die faszinierendsten Frauen bei mir auf dem Zimmer kennengelernt. Wir konnten dort alle nachts nicht schlafen und so haben wir uns nächtelang unsere Lebensgeschichten erzählt. Ich kam mir vor wie im Landschulheim. Das Pflegepersonal dort war so witzig, dass uns vor lauter Lachkrämpfen am Ende des Tages der Bauch weh tat. Das ist das, was ich meine, wenn ich sage, dass ich dankbar für meine Nüchternheit bin. Irgendwie schaffe ich es, ganz unverhofft, in den allermeisten Fällen, das Beste an einer Situation zu erkennen und so indirekt meinen Frieden mit all dem Ungeplanten zu schließen. Das ist das Leben & ich lieb’s.
Heute mache ich meine erste nüchterne Dekade voll. Ab jetzt bin ich also zweistellig unterwegs. Auf das noch viele weitere Dekaden kommen mögen, am liebsten zusammen mit euch.